Abenteuerlich…***
Der Dengler Schorsch aus Pfaffenhofen ist das, was man auf gut bayerisch einen richtigen „Protz“ (Angeber, Aufschneider) nennt. Ein normaler Urlaub ist ihm nicht gut genug, nein, er will einmal richtig „Extreme Abenteuering“ erleben. Also bucht er vier Wochen im guten, alten „Wilden Westen“.
Kaum angekommen, will er es gleich wissen und mietet sich ein Pferd, um sich den Wind der grenzenlosen Freiheit um die Nase wehen zu lassen. Richtig neidisch könnte man auf ihn werden bei dem, was er da erleben darf. Unendliche Weite, Bilderbuchlandschaft und das Wetter spielt auch mit. Leider vergisst der Schorsch über diesen überwältigenden Eindrücken die Zeit und es fängt bereits an zu dämmern. „Mist“, denkt er sich, „zum Hoamreiten is’s scho z’spät. Jetz muaß I mir a Platzl zum Übernachten im Freien suacha, an Schlafsack und a Brotzeit hob I ja dabei.“ Während er auf seinem Pferd noch ein wenig weitertrabt und nach einer geeigneten Übernachtungsmöglichkeit Ausschau hält, entdeckt er in der Ferne ein Lagerfeuer. „Des kimmt ja wia g’ruafa“, meint er zuversichtlich zu seinem Ross. „Da reit‘ ma jetz hi‘ und schau’n, ob ma ned dort übernachten derfan.“ Er gibt seinem Pferd die Sporen und ruck, zuck sind sie beim Lagerfeuer angelangt. Der Schorsch steigt ab, bindet sein Pferd an einen Strauch und geht auf das Lagerfeuer zu, an dem zwei Personen sitzen. Er will seinen Augen fast nicht trauen, als er im Schein des Feuers erkennt, wer es sich da gemütlich gemacht hat. Da sitzen leibhaftig der Winnetou und sein Blutsbruder Old Shatterhand. Im ersten Moment verschlägt’s dem Schorsch die Sprache. Aber cool wie er ist, fängt er sich schnell wieder und begrüßt die zwei berühmten Western-Helden. „How do you do?“ fragt er höflich. „Hau di nur her“, antworten die beiden freundlich. Der Schorsch stellt sich vor, erzählt, von woher er kommt und fragt, ob er die Nacht bei den beiden verbringen darf. „Well, that’s no problem“, sagt Old Shatterhand. „Oder, was moanst du, Winnetou?“ „Allright, mein weißer Bruder, I hab nix dagegn.“ Mittlerweile ist es stockfinstere Nacht geworden, nur das Lagerfeuer und die Sterne am Himmel spenden den drei Männern Licht. Plötzlich hören sie aus dem Gebüsch ein Rascheln, Knistern und Knacken. Dem Huber Schorsch rutscht vor lauter Schiss fast das Herz in die Hose. Das lässt er sich natürlich nicht anmerken. Old Shatterhand steht auf und geht in die Richtung, aus der die seltsamen Geräusche gekommen sind. Plötzlich ein dumpfes Batschen „Psch“ und ein lauter, schmerzerfüllter Schrei des Old Shatterhand. Unmittelbar darauf taucht er aus dem Gebüsch auf, mit einem riesigen „Veilchen“ über dem rechten Auge. Winnetou fragt erst gar nicht, was passiert ist, sondern meint nur: „Was mein weißer Bruder nicht schafft, werde ich erledigen.“ Steht auf und begibt sich zur Suche ins Gebüsch. Es dauert nicht einmal eine Minute, bis man wieder ein dumpfes „Psch“ und einen markerschütternden Schrei vernimmt. Auch Winnetou kehrt unverrichteter Dinge und mit einem blauen Auge aus dem Gebüsch zurück.
Nun erwacht der alte Angeber im Dengler Schorsch und er meint überheblich: „Mein Gott, muaß I aus Pfaffenhofen kemma und mi um enk (euch) zwoa Zipfeklatscher kümmern, weil’s ned fähig seid’s, so a winzig’s Problem zu lösen?“ Und schon ist er im Gestrüpp verschwunden. Dieses Mal macht es zweimal „Psch, psch!!!“, gefolgt von zwei Schmerzensschreien aus tiefster Kehle. Winnetou wirft Old Shatterhand einen vielsagenden Blick zu, worauf Old Shatterhand trocken, aber nicht ohne einen gewissen Ausdruck von Schadenfreude, bemerkt: „Schau hi, der Depp is zwoamoi in’n Recha (Rechen) neitret’n!“
*** Liebe Leserin, lieber Leser, bei dieser Geschichte unterstellen wir einfach, dass Winnetou und Old Shatterhand der bairischen Sprache mächtig sind.